„Wenn es nicht explizit verboten ist,
ist Überholen generell erlaubt“

Die durchgezogene Mittellinie* auf der Fahrbahn oder das bekannte rote Verbotsschild gehören zu den Begleitumständen jeder Tour.

Und auch wenn niemand gerne zu häufig auf solche Beschränkungen treffen möchte, ist doch allen klar: Hier ist Überholen zu gefährlich. Und das meist aus gutem Grund, spielen Überholmanöver doch eine nicht unbeträchtliche Rolle im Unfallgeschehen.

Wer jetzt aber im Umkehrschluss denkt, wo keines dieser Verbote vorhanden ist, da darf jederzeit nach eigenem Gutdünken überholt werden, der befindet sich im Irrtum.

Die Straßenverkehrsordnung nennt noch eine Reihe anderer Fälle, in denen das Überholen grundsätzlich verboten ist. Demnach darf nicht überholt werden

  • an Fußgängerüberwegen;

  • wenn ein Bus oder eine Straßenbahn mit Warnblinklicht eine Haltestelle anfährt;

  • wenn man nicht die gesamte Überholstrecke einsehen kann;

  • wenn man nicht wesentlich schneller fahren kann als der zu Überholende;

  • wenn man nicht jegliche Behinderung des Gegenverkehrs ausschließen kann.

Und dann hält § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO noch das generelle Überholverbot bei „unklarer Verkehrslage“ parat. In der Rechtsprechung wird der Satz in der Regel folgendermaßen ausgelegt: Wenn anhand von konkreten Anzeichen geschlossen werden kann, dass der Überholvorgang einen gefährlichen Verlauf nimmt, ist er nicht erlaubt.
Mit dem „richtigen“ Überholen ist es also oftmals komplizierter als man denkt. Deswegen sollten sich Motorrad- und Rollerfahrerinnen und -fahrer vor allem den letzten Passus zu Herzen nehmen und zur Faustregel machen:

Warten Sie mit jedem Überholvorgang so lange, bis Sie wirklich risikofrei andere Fahrzeuge passieren können und lassen Sie sich nicht hinreißen.

Mit dieser einfachen Maxime sind sie gleich doppelt auf der sicheren Seite, gesundheitlich und rechtlich.

Und: Auch wenn Sie selbst gerade nicht überholen, rechnen Sie insbesondere auf der Landstraße mit überholenden Fahrzeugen im Gegenverkehr und achten Sie dort auf plötzlich ausscherende Fahrzeuge, besonders bei längeren entgegenkommenden Kolonnen, denen vorweg zum Beispiel ein langsamerer Lkw oder ein Trecker fährt. Man könnte Sie übersehen oder Ihre Geschwindigkeit falsch deuten. Auch in Kurvenbereichen sind überholende Pkw und auch Motorräder, die Ihnen auf Ihrer Spur entgegenkommen, keine Seltenheit. Planen Sie eine Sicherheitsreserve ein, damit Sie notfalls nach rechts ausweichen können, um so die Kollision zu vermeiden.

*) Kleine Ergänzung für Rechtskundige: Ja, es stimmt, die durchgezogene Linie ist nicht zwingend mit einem Überholverbot im Rechtssinn gleichzusetzen. Solange sie nicht überfahren wird, wäre ein Überholen auf der eigenen Fahrbahnhälfte theoretisch möglich. Weil dabei aber meist kaum zu erreichende Sicherheitsabstände einzuhalten sind, kommt die durchgezogene Linie faktisch einem Überholverbot gleich.