Zeitfaktor: Beschleunigen vs. Bremsen

Motorräder haben ein enormes Beschleunigungsvermögen. Und nicht nur Supersportler erreichen die 100 km/h-Marke aus dem Stand im Idealfall nach gut drei bis vier Sekunden. Selbst über 300 kg schwere Tourer oder Cruiser absolvieren diesen Sprint in weniger als fünf Sekunden.

Der ganze Speed muss irgendwann aber wieder eingefangen werden. Und auch da können moderne Motorräder nicht zuletzt dank ausgetüftelter Assistenzsysteme beeindruckende Werte vorweisen. Bereits in der oberen Mittelklasse sind Bremswege (nicht Anhaltewege) von weniger als 45 Metern Standard, um aus 100 km/h zum Stillstand zu kommen. Dabei wird schon mal eine Verzögerung von 9,0 m/s² (oder mehr) erreicht. Ein Wert, den übrigens auch die erwähnten Schwergewichte packen, wenn nicht gar übertreffen.

Und der Zeitfaktor? Wie viel Zeit vergeht wohl, bis ein 100 km/h schnelles Motorrad zum Stehen kommt?

Wir reden hier von der so genannten Bremszeit, der Zeitspanne vom ersten Betätigen der Bremse bis zum Stillstand des Fahrzeugs. Die Bremszeit ist abhängig von der Ausgangsgeschwindigkeit, der möglichen Verzögerungsleistung eines Fahrzeugs und den Fahrbahnbedingungen.

Nehmen wir an, ein Motorrad erreicht die oben erwähnte durchschnittliche Verzögerung von 9,0 m/s², so käme es bei trockener Fahrbahn aus 100 km/h in unter 3,1 Sekunden zum Stehen. Überrascht?
In gerade mal drei Sekunden von Null auf 100 km/h zu beschleunigen, das gelingt nicht mal den leistungsstärksten Serienmaschinen. Beim Bremsen ist das anders. Selbst Mittelklasse- und Einsteigermotorräder brauchen von Hundert auf Null nur zwischen 3,1 und 3,4 Sekunden.
Alle Motorräder haben damit eines gemeinsam: Sie können aus jeder Geschwindigkeit schneller zum Stehen kommen, als sie zu ihrer Erreichung an Zeit benötigen.

Die Betonung liegt dabei auf „können“, denn wie eine Messreihe zeigt, die das ifz im Rahmen seiner  Studie Bremsen oder Ausweichen? Oder sogar beides?   im Jahr 2016 erstellt hat, werden solche Topwerte von „normalen“ Fahrern kaum erreicht. Trotz optimaler Bedingungen auf der Teststrecke benötigten die Teilnehmer für die Vollbremsung aus 100 km/h zum Teil deutlich längere Bremswege, unter denen 50 Meter als guter Wert gelten kann. Doch selbst dann steht das Motorrad bereits nach 3,6 Sekunden.

Die Zeitphase, in der „ein Notfall“ abgehandelt werden muss, ist in der Regel kürzer. Für Überlegungen bleibt da wenig Zeit, weshalb es so wichtig ist, hier auf Handlungsroutinen zurückgreifen zu können, die man nur durch Übung erwerben kann. Ein guter Gedanke, um über das nächste Training nachzudenken!