Die Bremse

Am 29. August 1885, also vor ziemlich genau 135 Jahren, meldete Gottfried Daimler ein „Fahrzeug mit Verbrennungsmotor“ zum Patent an, das später als „Reitwagen“ bekannt wurde. Es gilt als das weltweit erste benzinbetriebene Motorrad. Wer es fahren wollte, musste per Hebel einen Lederriemen spannen, der dann die Motorkraft aufs Hinterrad übertrug. Wer bremsen wollte, musste besagten Riemen wieder lösen, wodurch automatisch ein Bremsklotz gegen die Lauffläche des Hinterrads gepresst wurde. Bremsdosierung? Fehlanzeige.

Weil der Reitwagen ein Erprobungsmodell blieb, das nicht für eine Serienfertigung gedacht war, gebührt der Titel für das erste Serienkraftrad der Welt den Gebrüdern Hildebrand & Wolfmüller. Ihr, laut Patentschrift Motorrad genanntes Zweirad, besaß weder Kupplung noch Getriebe, hatte aber schon – wenn man so will – zwei unabhängig voneinander funktionierende Bremssysteme, eine technische Ausstattung, die in Deutschland erst im Jahr 1926 verpflichtend wurde. Am Vorderrad drückte ein gestängebetätigter Bremsklotz von oben auf den Reifen, eine Verzögerungstechnik, die man auf Fahrrädern in den 1960er Jahren noch „erfahren“ durfte. Hinzu kam als Fußbremse eine Bodenbremse, ein Sporn, der sich bei Betätigung unter dem Motor in den Boden fräste. Wie lang der Bremsweg aus den 30 bis 40 km/h, die das Kraftrad erreichte, ausfiel, ist nicht überliefert.

Sehr wohl überliefert ist die weitere Entwicklung der Bremstechnik. Die Klotz- und Felgenbremsen der Anfangszeit wurden nach der Jahrhundertwende durch Außenbandbremsen ergänzt bzw. ersetzt. Seit den 1920er Jahren kamen dann bereits Trommelbremsen zum Einsatz, bei denen von innen Bremsbacken gegen eine in die Radnabe integrierte Bremstrommel gedrückt werden. Technisch immer wieder verfeinert, blieb die Trommelbremse über 40 Jahre lang der Standard im Motorradserienbau. Erst Ende der 1960er Jahre wurde sie durch die Scheibenbremse abgelöst. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll.

Seit der Klotzbremse mit hölzernem Bremsbelag ist das physikalische Grundprinzip übrigens bis heute das Selbe: Bewegungsenergie wird durch Reibung in Wärmeenergie umgewandelt. Das gelingt mittlerweile so gut, dass moderne Motorräder heute schon nach weniger als 40 Metern aus 100 km/h zum Stillstand kommen können. Doch auch wenn die Bremswege technisch kürzer geworden sind, das Abrufen des ganzen Potenzials bereitet dem Regler „Fahrer“ häufig (und oft gerade, wenn es drauf ankommt) große Schwierigkeiten. Eine vorausschauende Fahrweise ist daher immer noch die beste Versicherung.

Also: Vorausschauen, Abstand halten und für andere mitdenken bleiben das A und O, wenn Sie sicher unterwegs sein wollen. Gehen Sie in unklaren Situationen lieber vom Gas und halten Sie sich bremsbereit, denn auch die beste Bremse kann nicht verhindern, dass Sie übersehen werden und Ihnen die Vorfahrt genommen wird.